Guadeloupe

A propos traumatisiert: Charlie Hebdo bewegt auch hier die Menschen tief. Der Taxifahrer vom Hafen zum Flughafen zeigt uns sofort am Handy die Schießerei in Paris. Gerade traf die Nachricht ein, dass auch eine Polizistin, die aus Martinique stammt, erschossen wurde. Ob sich an diesem Terror etwas ändern wird? Der Trauermarsch, den wir auch hier verfolgen, schafft, nicht zuletzt durch „Je Suis Charlie“, ein Gefühl der gemeinschaftlichen Trauer, des Zusammenrückens, aber ich fürchte, das Gemeinschaftsgefühl wird sehr bald der Realität in Form von neuem Terror weichen. Zumal der Sachverhalt letztlich kaum zu durchschauen ist. Die Muslime im Allgemeinen und der Islam an sich sind bestimmt nicht das Problem, aber was ist mit den Instrumentalisierern (Islamisten) und Trittbrettfahrern (Pegida)?

Ein weiterer aktueller Paukenschlag vom Jahresende wird die Karibik verändern: Die USA-Kuba-Annäherung. Am letzten Abend in Dominica traf ein Ehepaar aus Sint Maarten ein, ein „autonomes Land im Königreich der Niederlande“ (27.000 Einwohner). Das ist die eine Hälfte der Insel, die sie sich mit Frankreich teilt: Saint-Martin (Überseegebietskörperschaft von Frankreich; 37.000). Daher befindet sich in der Karibik die einzige Landgrenze zwischen Holland und Frankreich und außerdem der höchste Berg der Niederlande mit ca. 500 m. Sie berichten aus aktuellem Anlass, dass viele der kleineren Länder in der Karibik vom Tourismus leben und sich jetzt Sorgen machen, dass die vielen US-amerikanischen Touristen bald wegbleiben könnten, da diese ab jetzt verstärkt nach Kuba fahren könnten, was bislang nicht möglich war. Und vielleicht nicht nur die amerikanischen.

Unser Vulkanpech bleibt uns treu. Der Vulkan auf Guadeloupe „Souffrière“ im Süden von Basse-Terre war an dem geplanten Tag in Wolken gehüllt, so wanderten wir mal wieder durch den Regenwald (im Regen, Sonne kommt sowie nicht durch). Tiere waren keine zu sehen, aber jede Menge Bäume, Pflanzen und Lianen. Das mit dem Vulkan ist schade, denn die Fachleute sind sich einig: der nächste Ausbruch kommt ganz sicher in den nächsten 500 Jahren und wird große Teile der Insel zerstören, Karte Guadeloupezumindest in der westlichen Hälfte, auch die Hauptstadt Basse-Terre.

Leider habe ich heute zum Meeresverschmutzung beigetragen: Die turbulente Brandung (türkis, 28°)

Brandung, türkis, 28°
Brandung, türkis, 28°

hat meine Schwimmbrille weggerissen: Letztere wird sich jetzt vermutlich auf eine Reise zunächst ins karibische Meer aufmachen, dann mit dem Golfstrom irgendwann Richtung Europa. War keine Absicht, ist aber ein guter Anlass für einen kleinen Exkurs:

Die Erde dreht sich am Ort des größten Umfangs (Äquator) mit immerhin mit 40.000 km/24 h = 1.677 km/h; ganz schön schnell nicht wahr? In München (48° nördlicher Breite) habe ich gerade mal eine Geschwindigkeit von 1.080 km/h berechnet. Durch diese Drehung werden die Luftteilchen, die sich von Nord nach Süd bewegen (weil es am Äquator sehr warm ist, steigt da die Luft nach oben; damit der Luftvorrat nicht ausgeht, wird Nachschub vom (in unserem Fall) Nordpol herangeschafft. Und dieser Nachschub wird durch die schnelle Drehung der Erde nach Westen (= Corioliskraft) zu einem ständigen starken Höhenwind (Jetstream). Diese Strömungen kommen auf der Erde je nach Region als Ostwind (Nordost-Passat) oder als Westwind (Nordwest-Passat) an und haben uns so fast jeden Tag zu schaffen gemacht. Und hat uns den häufigen Regen gebracht, da durch die starke Aufwärtsbewegung der Luft viele Wolken (mit viel Wasser versehen nach 5.000 km Atlantik) und dadurch Regen entstehen. Warum dieser Exkurs: Wegen des konstanten Windes sind die Schiffe ab dem 16. Jahrhundert immer zuerst von Europa nach Süden zu den kanarischen Inseln und dann mit dem Nordost-Passat über den Atlantik direkt in die Karibik gesegelt. Und da war es ganz praktisch, dass man in Afrika die Sklaven mitnehmen konnte, um dann auf dem Rückweg nach Europa den nördlicher wehenden Nordwest-Passat nutzen konnte, um Zucker, Kaffee oder eroberte Schätze (Mayas, Inkas etc.) nach Hause zu bringen, sofern nicht ein paar interessierte Piraten im Weg waren. Diese hatten alle moralische Berechtigung, denn alle Produkte und Schätze waren voller Blut und Grausamkeiten und wurden nebenbei von den verschiedensten Regierungen gefördert wie Sir (!) Francis Drake. Man schätzt übrigens, dass zunächst ca. 2 Millionen Bewohner der kleinen Antillen ermordet wurden und dann fehlten die Arbeitskräfte, weshalb Sklaven gebraucht wurden. Insgesamt wurden weit mehr als 20 Mio. Sklaven aus Afrika nach Nord-, Mittel- und Südamerika gebracht mit einer Lebenserwartung ab Ankunft von vielleicht 5 Jahren. Die meisten kamen allerdings erst gar nicht an.

Das System der Großgrundbesitzer und Plantagenbesitzer ist heute auf Martinique noch sehr präsent, in Guadeloupe dagegen wurde 1792 im Zuge der Französischen Revolution mitrevoltiert und die massiven Standes- und Wohlstandsunterschiede mittels Guillotine substanziell nivelliert. Wir hatten den Eindruck, dass es Martinique insgesamt besser geht, organisierter ist, näher an Europa ist als Guadeloupe. Christan, unser Guide beim Kanufahren durch die Mangrovenwälder,

Mangrovenwald
Mangrovenwald

hat uns viel über die Situation von Mensch und Natur auf Guadeloupe erläutert, darunter die hohe Jugendarbeitslosigkeit, häusliche Gewalt, hohe Unfallquoten, oft in Verbindung mit Alkohol und Drogen und die Sorge, dass die so kraftvolle Natur am meisten durch die Menschen gefährdet ist. Auch durch tolle Deals z.B. mit Chinesen und Japanern, die die Meeresgebiete abfischen dürfen und damit den einheimischen Fischern die Lebensgrundlage entziehen (siehe auch der chinesische Straßenbau auf Dominica). Jedenfalls werden die Langusten jetzt aus Jamaica importiert (gut, dass wir an Silvester keine gegessen haben).

Und zum Schluss eine gute Nachricht: es gibt auch weiterhin keine Mücken, keine Spinnen, aber immerhin Leguane. Sehen gefährlich aus, sind aber ziemlich klein. Beweis: Foto!20150111_134906_R

Jetzt geht’s zurück nach Deutschland – von Guadeloupe über Martinique, Paris Orly, Paris Charles de Gaulle. Jetzt hoffen wir, dass unsere Koffer gut ankommen (die Air France-Mitarbeiter waren sich da nicht sicher mit den Fähigkeiten der Kollegen von Air Antilles); der Flieger war auf jeden Fall der am schönsten bemalte EVER, 20150113_102049_Rknapp vor dem Fanhansa-Flieger im Sommermärchen 2014. Und wir freuen uns auf die Familie, die Arbeit, die Architekten- und Marktforscher-Teams, aufs Skifahren und die vielen Erinnerungen an einen tollen Urlaub. Wer will, der bekommt viele Reisetipps und wer darauf besteht, gaaanz viele Fotos zum Anschauen mit einem guten Rum-Punsch mit Geheimrezept von Christian (dem Kanu-Guide). Hier ein Abschlussbild zum Lustmachen.

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Karibik 4. Teil: Dominica

Dominica
Dominica

Nach Ankunft im Hafen der Hauptstadt Roseau wartet David von unserer Lodge Crescent Moon auf uns und fährt uns – an jeder Menge Schlaglöchern, verrosteten Auto-, LKW-, Baggerwracks sowie abgeladenen Kühlschränken, Waschmaschinen und vielem mehr vorbei –auf einem kleinen Bergsträßchen mit vielen Haarnadelkurven in die Lodge Nähe Pont Cassé. Angesichts der noch leicht angeschlagenen Gesamtverfassung konnte ich diese Fahrt leider nicht völlig genießen und habe sogar den Linksverkehr kaum registriert.

Wir wohnen in einer Cabin an den Ausläufern des Regenwaldes,

Crescent Moon Cabin
Crescent Moon Cabin

gleichzeitig mit tollem Blick aufs wenige Meilen entfernte, aber deutlich unter uns gelegene Meer. Ähnlich wie im letzten Hotel befinden sich in den Fensterrahmen statt Glas verstellbare Lamellen, die das Zimmer stetig durchlüften, aber Regen zuverlässig abhalten. Und wir haben eine große Veranda mit Hängematte , die meistens trocken bleibt.

Zum Wetter und Ende mit Meteorologie. In Wirklichkeit sind es hier auf Dominica ein Regengott und ein Sonnengott, die sich einen Spaß draus machen, abwechselnd Spaß zu haben.

Regenwald
Regenwald

Letztlich mit tollen Folgen für Natur und Pflanzen, aber mit eingeschränkter Begeisterung bei den Touristen aus Deutschland. Und mit eingeschränkter Nachtruhe: Da es mindestens einmal pro Stunde regnet, mangels Fensterscheiben der Regen laut prasselt und außerdem meist mit Sturmböen einher geht, wachen wir pro Stunde mindestens einmal auf. Dafür gibt es hier, wie schon im stürmischen Martinique, keine einzige Mücke, die unsere Nachtruhe stören könnte. Außerdem warten wir immer noch auf unsere erste Spinne, Schlange, Opossum oder Leguan.

Ein normaler Tag startet hier mit einem vorzüglichen und gesunden Frühstück und endet mit einem tollen Abendessen von Inhaber und ehemaligem Chefkoch Ron. Dazwischen ein leichtes und leckeres Mittagessen, immer abgeschlossen von einem Kaffee aus

Kaffeebohnen
Kaffeebohnen

selbst angepflanzten Kaffeebohnen, geröstet in einer 20150106_095233_Rlässigen Eigenkonstruktion aus einer ausrangierten Popcornschüssel, einem Gaskocher, einem alten Scheibenwischer-Motor und einem ehemaligen Staubsauger. Alle vier Tage wird neu geröstet. Ein Genuss.

Geröstete Kaffeebohnen
Geröstete Kaffeebohnen

David, gebürtiger Dominicaner und Ehemann von Inhaber-Tochter Tiana, begleitet uns zu einigen Regenwaldwanderungen mit Klettersteigen und Wasserfällen. Wir sehen tolle Bäume, Blumen und Pflanzen, nur fast keine Tiere und Insekten. Ab und zu sehen wir eine Krabbe in einem Schlupfloch verschwinden, gefährlicher wird es nicht. Das Wasserfall-Wasser und die Gumpen sind warm (> 20°) und supererfrischend.

Wasserfall mit Wolfgang
Wasserfall mit Wolfgang

Ähnlich warm ist übrigens das Wasser, wenn es immer wieder mal wieder von oben kommt.

Die kleine Bergstraße entpuppt sich übrigens als Hauptverbindung von West nach Ost. Wir fahren in das Kalinago Territory, dem heutigen Gebiet der Ureinwohner der Insel. Sie waren so kriegerisch und die Insel so schwer zugänglich, dass Kolumbus kehrt machte und nach Guadeloupe weiterfuhr. Erst nach 1600 kamen die Engländer, später die Franzosen und besetzten die Insel. Daher auch die vielen französischen Namen – bevor dann die Briten 1782 die Franzosen final besiegten. Nur ca. 3.000 Ureinwohner leben heute noch auf der Insel, wir Europäer haben da wieder ganze Arbeit geleistet. Pünktlich zum Abendessen sind wir in der Lodge und fallen todmüde nach dem grandiosen Dinner (Thunfisch, morgens vor der Insel ohne Beifang à là „der alte Mann und das Meer“ gefangen) und nach einem oder zwei Rum-Punsch ins Bett.

Heute wollen wir mit dem Bus von der Lodge in die Hauptstadt Roseau fahren.

Wartehäuschen
Wartehäuschen

Leider kommt der Bus nicht, was auch nicht wundert, da es keine Fahrpläne gibt und alle Busse ohnehin in Roseau gebraucht werden, da ein Kreuzfahrtschiff festgemacht hat mit potenziellen Kunden. Das macht aber nichts, ein freundlicher Pick-Up nimmt uns auf der offenen Ladefläche mit. Da es mindestens einmal pro Stunde regnet, setzen wir uns prophylaktisch mit Regenjacke hin und klammern uns fest. Der Regen kommt im Gegensatz zum Bus zuverlässig und intensiv. Kurz vor Roseau ist die Sonne wieder da, es dampft, wir dampfen auch und wringen uns erstmal die Hosen aus.

Wir tauschen ECD’s, also East Caribean Dollars (1 US-$ = 2,67 EC$) und können nun einen Kaffee trinken gehen. Problem: es gibt zwar Cafés in Roseau, was noch lange nicht heißt dass es dort Kaffee gibt. Das ziemlich große Kreuzfahrtschiff liegt am Kai und würde die halbe Stadt verschatten, wenn nicht die Sonne, obwohl Winter, senkrecht am Himmel stehen würde. Deshalb ist es warm, wir mittlerweile fast wieder trocken, haben die Stadt besichtigt, viele bezaubernde und viele ehemals bezaubernde, jetzt heruntergekommene Häuser angeschaut und fotografiert,

Haus in Roseau
Haus in Roseau

eine 0,5 qm-Freiluft-Hamburger-Braterei ausprobiert sowie eine vorzügliche Snackeria (Chicken & Reis etc.) genossen.

Es war übrigens eine gute Entscheidung, auf ein Mietauto zu verzichten. Die Taxibusverbindungen sind gut, zumindest zwischen 6 und 18 Uhr. Danach wird’s schwierig. Das macht aber nichts, denn es ist fünf Minuten nach Sonnenuntergang so dunkel, dass man ohnehin kein Schlagloch auf der Straße mehr sieht (jedenfalls auf den Straßen, die die Chinesen noch nicht geflickt haben).

Wir fahren mit dem Taxi-Bus nach Soufrière zum Bubble SPA: Ein kleiner Bereich am Strand wo heiße Schwefelgase fast am Strand im Wasser aufsteigen, das Wasser erwärmen und es überall – wie im Jakuzzi –blubbert ohne nach faulen Eiern zu riechen.

Bubble SPA mit Bar
Bubble SPA mit Bar

Die Bubble Bar ist vorzüglich ausgestattet: Rum, Rum Punsch (=Rum mit Saft), Kubuli-Bier und Kubuli Shandy (=Radler) und Cola. Kein Wasser, kein Saft ohne Rum, kein Kaffee. Wir fahren an einem Drehort von Pirates in the Carribean vorbei, deren Folgen 2 und 3 auf Dominica gedreht wurden. Auf dem 1 EC$-Stück ist übrigens ein toller Dreimaster zu sehen, bestimmt ein Piratenschiff.

Zurück mit dem Taxi-Bus, diesmal immerhin nicht wie auf der Hinfahrt zu siebzehnt im 11-Sitzer inkl. Tüten, Taschen und Säcken mit Lebensmitteln. Und das Alles etwas von Spitzkehre zu Spitzkehre, von Schlagloch zu Schlagloch ungewohnt immer auf der linken Straßenseite knapp neben den monströsen Abflussrinnen um die Sintfluten des Regengottes abzuleiten. Die ziemlich jugendlich wirkende Queen auf den EC$-Scheinen achtet darauf, dass es beim Linksfahren, den Meilen und Inches bleibt. Eigentlich überflüssig, denn die Briten streiten sich nicht mehr mit den Franzosen um Kolonialpfründe, so wie in den 17- und 18-hunderter Jahren, als es hin und her ging mit der Herrschaft. Heute ist Dominica ein eigener Staat im Commonwealth und ist Mitglied der UN. Das ist auch der Grund, warum es hier soviele Chinesen gibt, die so manche Straße hier bauen und auch mitfinanzieren. Man sollte sich halt immer gut stellen mit einem Land, das zwar nur 70.000 Einwohner, aber eine Stimme in der UN-Vollversammlung hat. So wie Antigua und Barbuda (90.000 Einwohner), Saint Lucia (170.000), Barbados (290.000) gGrenada (100.000) und Trinidad und Tobago (1,3 Mio.). Warum fällt mir gerade jetzt die Blatter-FIFA ein?

Um den Chinesen nicht die UN-Stimme kampflos zu überlassen, freuen wir uns über die EU-Flagge mit den 27 Sternen als Co-Financier des Dominica-Museums. Richtig helfen würde ein Tunnel durch die Insel von Karibik zum Atlantik; ca. 15 Minuten Fahrzeit statt aktuell 90 Minuten. Das könnten die Schweizer am besten machen, falls sie doch mal Mitglied der EU geworden sein sollten.

Nach der ersten Hälfte des Urlaubs meldet sich nun ab und zu der Forscher in mir: Ich stelle empirisch fest, dass einem durchschnittlichen Tag zwischen morgens 7 Uhr und abends 19 Uhr es 12 mal regnet, auf der angemessenen Skala stark-sehr stark-Sintflut. Leichter Regen kommt nicht vor – und wenn dann zähle ich ihn nicht mit. Regen bei gleichzeitigem Sonnenschein, verschönt durch einen Regenbogen, ist übrigens eine häufige Ausnahmeerscheinung, aber schwer zu fotografieren – aber möglich …

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Regenwald mit Regen und Sonne

Da außerdem Dominica kaum Traumstrände mit Palmen aufweist, sieht die Insel noch weitgehend so aus wie früher, ein Traum für Naturliebhaber, Wanderer, Ökotouristen. Hier gab es in letzter Zeit keinen Vulkanausbruch, dafür aber 1979 Hurrican Dean, der unfassbare Zerstörungen in der Natur anrichtete und die Bewohner scheinbar nachhaltig traumatisierte.

Die Überfahrt nach Guadeloupe wurde diesmal nicht verschoben und zu meiner Freude von Wind und Wellengang weitgehend verschont. Wir fahren an einigen hübschen Mini-Inseln vorbei (Ils des Santes, Maria Galante und La Desiderante) und sind dann auf einmal wieder in Frankreich, in der EU.

Reisetag nach Dominica

Die Überfahrt nach Dominika ist nur 2 Stunden lang, landschaftlich höchst reizvoll, am wolkenverhangenen Vulkan vorbei, kurze Durchquerung des Kanals Martinique. Normalerweise.

Doch der Reihe nach: Zunächst mussten wir die reservierten Tickets um 6.15 Uhr morgens abholen. Hier kam die Mitteilung, dass die gebuchte spätere Weiterfahrt von Dominika nach Guadeloupe nicht am 7. stattfindet, sondern auf den 8. Januar verschoben wurde. Spätestens jetzt bin ich dank Adrenalin richtig wach. Zunächst einchecken und Gepäck aufgeben, denn jetzt wird es ernst: Ausreise ins richtige Ausland mit Reisepass und so. Dann ganz schnell zum Flughafen fahren, um den mittlerweile ausgetauschten Mietwagen (genauso viele Dellen und Flecken wie der erste, aber Scheibenwischer, Ventilator und Klimaanlage funktioniert) bei der ab 7 Uhr geöffneten Geschäftsstelle zurückzugeben und dann sofort per Taxi zum Hafen zurück zu hetzen. Alles klappt. Telefonat mit billiger-mietwagen.de und booking.com mit Bitte um Änderung der Buchungen auf Guadeloupe. Nicht zu fassen: beide Unternehmen haben ein deutschsprechendes Call-Center, minimale Wartezeiten und helfen mir in kürzester Zeit. Jetzt muss nur noch das Hotel auf Dominika eine Nacht länger Platz für uns haben (für die besorgten Leser vorab zur Beruhigung: es klappt).

Nun die Überfahrt nach Dominika: Die an sich spektakuläre Überfahrt mit dem Schnellboot wird leider tendenziell beeinträchtigt, da der mückenverhindernde Passat-Wind heute ein Passat-Sturm ist.

Kurz nach dem Auslaufen von  Fort-de-France
Kurz nach dem Auslaufen von
Fort-de-France

Sobald wir aus dem Windschatten von Martinique herausfahren verteilt die Crew vorsorglich Spucktüten. Den Rest habe ich verdrängt und Manuela netterweise keine Beweisfotos gemacht.

Martinique 2015

Wir scheinen doch generell Einiges verpasst zu haben, denn am 1. Januar müssen sich die Insulaner erholen und alle Geschäfte, Restaurants, Tankstellen und überhaupt sind geschlossen. Das stört uns zunächst nicht, denn wir wollen heute den Montagne Pelée besteigen, das ist der Vulkan der am 8. Mai 1902 ausbrach und die damalige Hauptstadt St. Pierre komplett zerstörte. Von 30.000 Einwohnern überlebte ein Einziger mit schweren Verbrennungen. Obwohl sich der Ausbruch wochenlang ankündigte, sah die Verwaltung keinen Grund zur Evakuierung und kam selber komplett ums Leben.

Leider will auch der Wolkengott gemeinsam mit dem Regen- und dem Sturmgott auf den Vulkan, so dass wir zunehmend hungriger – unser Picknicksandwich muss mangels offener Restaurants rationiert werden – direkt ins von der EU geförderte Vulkanmuseum im neuen St. Pierre gehen.

Blume mit Kolibri
Blume mit Kolibri

Danach tauschen wir den Mietwagen um, der Ventilator scheppert immer lauter. Der Abend verlief dann dank Trip-Advisor kulinarisch höchst erfreulich in einem anderen Hotel-Restaurant. Langusten waren aus.

Am 2. Januar sind einige Geschäfte wieder geöffnet, auch ein paar Restaurants. Außerdem will ich zum Friseur, also fahren wir nach Fort-de-France, besichtigten die Altstadt, die Hauptkirche und die Schoelcher-Bibliothek (Schoelcher war Französischer Gouverneur und schaffte 1848 die Sklaverei ab).

Schoelcher-Bibliothek Fort-de France
Schoelcher-Bibliothek
Fort-de France

A propos Sklaverei: geschätzt 95% der Insulaner sind Farbige verschiedenster Abstufungen afrikanischer Abstammung. Die wurden benötigt, nachdem unsere europäischen Vorfahren die Kariben zu Hundertausenden umbrachten und plötzlich keine Arbeitskräfte mehr da waren, die auf den Bananen- und Zuckerrohrplantagen arbeiten konnten. Und da der Passatwind von Afrika genau in die Karibik wehte, waren die Sklaven leicht zu transportieren. Die hiesigen Friseure verfügen daher zweifellos vor allem über zielgruppengerechte Haarschnittkompetenzen. Mit dem Friseur beschließe ich bis nach München zu warten.

Martinique Quelle: Google Maps

Martinique
Quelle: Google Maps

Da Martinique wie bekannt Inland ist, genauer gesagt ein französisches D.O.M. (département d’outre-mer) zahlen wir in Euro, brauchen nur den Personalausweis und sehen überall die Flagge der EU. So ähnlich wie z.B. in Spanien und Griechenland – jedes ordentlich aussehende öffentliche Gebäude, jede neue Straße, jeder überdimensionierte Verkehrskreisel wird von der EU mitfinanziert. Kann ich meine Reisekosten steuerlich geltend machen, da ich ja auch überprüfe, ob meine Steuerzahlungen in Verwaltungsgebäude und Kreisel ordentlich investiert werden? Jetzt sind wir gespannt wie unser erstes Hotel aussieht. So?

Ob es so aussieht?

Wir fahren mit unserem Mietauto los und merken bald, dass der Scheibenwischer uns nicht zu überzeugen vermag. Bald erreichen wir das wundervolle Kolonialstil-Hotel Domaine St. Aubin (bei La Trinité) mit Blick auf den Atlantik:

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Wir sollten später wegen weiterer Petitessen das Auto tauschen. Wir vermerken auch höchst erfreut, dass es – obwohl Tropen – keine Insekten gibt, uns sollte keine Fliege oder Mücke begegnen. Wie auch, bei dem ständigen heftigen Passat-Wind hätten die armen Insekten ganz schön zu kämpfen.

Frühstück auf der Veranda

Wir machen nach der ersten Nacht und dem ersten Frühstück auf der Kolonial-Veranda einen Ausflug an einen goldfarbenen Sandstrand mit Palmen und toller Brandung, erobern das 28° warme Meer, schauen uns

Gefährliches Tier in Sainte-Anne
Gefährliches Tier in Sainte-Anne

mitleidsvoll die Fotos vom heimischen, tief verschneiten Garten in Neuried an, und sehen ab und zu auch mal einen anderen Strandbesucher (hier ist Hochsaison!) neben einer vereinzelten Krabbe. Im Strandrestaurant gibt es erstmals kreolische Accras (frittierte Teigbällchen mit Krabben oder Fisch). Und Rum-Punsch.

Strandrestaurant in Sainte Luce
Strandrestaurant in Sainte Luce
Karibik pur in Sainte-Anne
Karibik pur in
Sainte-Anne

Der Ausflug auf die Karibik-Seite am Folgetag (bei Sainte-Anne) bringt von allem noch mehr, allerdings ohne Wind und Brandung und weiterhin ohne Mücken. Zusätzlich liebliche, bunte, meist etwas heruntergekommene, relaxte Fischerdörfer mit Straßenküchen allen Ortens, da heute der „Reveillon“ ist (Abend vor Neujahr) und überall Vorbereitungen für die vor allem innerfamiliären Festivitäten laufen, für die bei den Straßenküchen eingekauft wird. Wir liegen am Strand und im Meer, vermeiden direkt unter einer Palme respektive unter den Kokosnüssen zu liegen und ernten auf die Frage nach einem alkoholfreien Bier herzliches Gelächter. Immerhin gibt es Passionsfruchtsaft ohne Rum. Sehr lecker.

Wir finden nach längerem Suchen eines der wenigen Strandrestaurants, die am Abend nicht schließen und reservieren mit Mühe zwei Plätze und Langusten für 21 Uhr. Da das Essen und die Getränke auf sich warten lassen, ist das Highlight zunächst der DJ mit Reggae-Musik. Leider hat das Nachbarrestaurant auch einen DJ mit Reggae-Musik. Schallwellen schallen nicht streng geradeaus, daher erfreuen wir uns an lauter und doppelter Reggae-Musik und ertragen das leidvoll und immer hungriger mit Hilfe des mittlerweile selbst organisierten Rum-Punsches. Nachdem der erste Gang zwischen 22.00 (der erste Tisch) und 22.45 (der letzte Tisch=wir) serviert wurde und die einzige Bedienung (=Inhaberin) leicht verzweifelt vor allem ihren Rum-Punsch testete, ist unser Vertrauen in Stimmung und Essen am Ende, wir legen einen angemessenen Euro-Schein auf den Tisch und verlassen etwas deprimiert und hungrig die Location. Wir sind nicht die einzigen Flüchtigen. Immerhin: wir haben ja bereits um 19 Uhr das mitteleuropäische Neujahr eingeläutet und können so hungrig ins Bett und ins neue Jahr 2015 gehen. Die Languste muss auf einen anderen Tag verschoben werden.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein frohes, gesundes und erfolgreiches neues Jahr 2015.

Die kleinen Antillen - Übersicht Quelle: Google Maps
Die kleinen Antillen – Übersicht
Quelle: Google Maps

Liebe Leser, nachdem schon 6 Monate vergangen und der WM-Sieg fast abgehakt ist, wird es Zeit für einen neuen Reiseblog. Diesmal waren Manuela und ich Herrin und Herr des Reisezielauswahlverfahrens und haben uns für die Karibik entschieden. Sonne, Wärme, weiße Strände, türkises Wasser, spannende (uns Europäer beschämende Historie), koloniale Architektur, Rum und Reggae warteten auf uns. Ich kündige jetzt schon deutlich weniger Ausflüge in die Höhen von Marktforschung und Mediennutzung an als beim letzten Mal. Langweilig wird die Reise ganz sicher nicht, ich hoffe dasselbe für den Blog.